1935 - 2005 | 70 JAHRE WUPPERTALER GEWERKSCHAFTSPROZESSE | VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT 1935 - 2005 | 70 JAHRE WUPPERTALER GEWERKSCHAFTSPROZESSE | VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT # #
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Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse
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GEWERKSCHAFTSPROZESSE

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DAS OBERLANDESGERICHT HAMM
 

Die meisten Verfahren der Wuppertaler Gewerkschaftsprozesse wurden vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm geführt.

Seine Entstehungsgeschichte geht auf das Jahr 1817 - zunächst mit dem Standort Kleve - zurück. Am 1. Juli 1820 zog das Gericht dann nach Hamm um und entwickelte sich im Zuge der Industrialisierung des Ruhrgebiets zum größten Gericht Westfalens. Eine besondere Bedeutung kam den Hammer Justizbehörden - OLG und Generalstaatsanwaltschaft - mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten bei der Verfolgung der Regimegegner zu. Zwar bekannten sich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Richter und Staatsanwälte offen zu Hitler und der NSDAP, doch begrüßten die meisten den autoritären und nationalen Charakter des sich etablierenden Machtstaats. Daher verlief der politische Anpassungsprozess der Justiz im Nationalsozialismus nahezu reibungslos. Am Ende des „Dritten Reichs“ waren dann 80 Prozent der Richter und 90 Prozent der Staatsanwälte Mitglieder der NSDAP, wenngleich sie in der Regel keine aktive Parteiarbeit geleistet hatten.

Welche Bedeutung gerade die Hammer Justizbehörden für das NS-Regime bei der Verfolgung seiner Gegner hatte, machte der damalige Oberlandesgerichtspräsident Rudolf Schneider in einer Rede vom 2. Februar 1942 deutlich, in der er betonte, dass das OLG Hamm bei der „Vernichtung des Kommunismus und der Sozialdemokratie einen ganz wesentlichen Anteil“ gehabt habe. Für diese Aufgabe war es personell aufgestockt worden: 1933 hatte das höchste westfälische Gericht nur einen einzigen Strafsenat, bis Ende 1935 war es auf fünf Senate vergrößert worden. Ebenso wurde es mit neuester Kommunikationstechnik ausgestattet. So bekam beispielsweise jeder Staatsanwalt einen Telefonanschluss in seine Privatwohnung gelegt, damit er auch in der Nacht zu erreichen war.

Insgesamt verurteilten die Richter des OLG Hamm während der NS-Herrschaft in erster Instanz etwa 15.000 Menschen wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“, später wegen „Wehrkraftzersetzung“. Hinzu kamen weitere 12.000 Verurteilungen von den Sondergerichten Bielefeld, Dortmund, Hagen und Essen, die der Kontrolle des OLG Hamms unterstanden. Kein anderes OLG (auch nicht der Volksgerichtshof) hatte zwischen 1933 und 1945 mehr Menschen in erstinstanzlichen politischen Verfahren abgeurteilt. So trug das Gericht - wie allgemein die Justiz - maßgeblich zur Konsolidierung und dem Machtausbau des NS-Staats bei, wenngleich die Senate sich zumindest bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Anschein der Rechtmäßigkeit in Bezug auf die Verfahrensabwicklung gaben. Gerade dieser nach außen hin legale Weg über Gesetze und Verordnungen führte immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten mit staatlichen Institutionen - vor allem mit SS und Polizei. Die beiden letzteren erlangten immer mehr Befugnisse in Bezug auf die Verfolgungspraxis gegenüber Regimegegnern. Sie agierten meist ohne gesetzliche Anweisungen, was von Seiten der Justiz als Eingriff in ihre Kompetenzen gewertet wurde. Sogar die Rechtsprechung durch die Gerichte wurde von der Gestapo oftmals nicht anerkannt. Sie nahm viele Freigesprochene direkt nach dem Urteil in so genannte Schutzhaft. Allerdings soll die Zusammenarbeit von Justiz und Gestapo im OLG-Bezirk Hamm zumindest bei der Ausschaltung der politischen Gegner gut funktioniert haben.

Eine solche Zusammenarbeit lässt sich für Wuppertal und Velbert durchaus bestätigen. Die Ermittlungen wurden hier in der Regel von ortsansässigen Gestapobeamten geführt; danach erhoben verschiedene Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft Hamm die Anklagen. In den ersten Verfahren urteilte der II. bzw. III. Strafsenat des OLG Hamm noch im Wuppertaler Landgericht. Denn nach der Auflage des Ministeriums sollten die Gerichte an dem jeweiligen Ort des Geschehens tagen, da unter anderem das Untersuchungsgefängnis des OLG nicht für so viele Menschen ausgelegt war. In den Verfahren, die jeweils nur wenige Tage dauerten, wurden durchschnittlich etwa 85 Personen abgeurteilt. Die Angeklagten wurden direkt vom Gefängnis Bendahl, das sich in unmittelbarer Nähe zum Landgericht befand, in den Gerichtssaal geführt. Da viele Angehörige das Gerichtsgebäude während der Verhandlungstage umlagerten und außerdem die internationale Öffentlichkeit durch die Arbeit des Wuppertal-Komitees auf die Massenprozesse aufmerksam gemacht worden war, wurden der Verhandlungen des Verfahrens „Buchner u.a.“ von Wuppertal an den Gerichtsort Hamm verlegt. Da dies trotz einer Verfügung, dass die Verhandlungen bei einer größeren Anzahl von Angeklagten an dem örtlichen Landgericht stattfinden sollten und nicht in Hamm, zeigt eine gewisse Unsicherheit der Justiz gegenüber der Öffentlichkeit. Erst beim letzten Massenprozess „Bruckner u.a.“ verhandelte der Strafsenat wieder im Wuppertaler Landgericht.

Die Verfahren wurden unter anderem vom Senatspräsident Dr. Ernst Hermsen geführt. Hermsen war nie Mitglied in der NSDAP und galt sogar als Kritiker des Regimes. Dennoch war er wie kein anderer Richter des OLG Hamm maßgeblich daran beteiligt, den Herrschaftsanspruch der Nationalsozialisten über seine Rechtsprechung zu sichern. Denn er galt als ausgesprochener Feind des Kommunismus und brachte diese Position in den Urteilsverkündungen auch zum Ausdruck.

Die Hammer Justizbehörden wurden am 14. April 1945 von den amerikanischen Truppen besetzt. Viele Richter und Staatsanwälte wurden danach von der britischen Besatzungsbehörde entweder in vorzeitigen Ruhestand versetzt oder wieder eingestellt. So wurde zum Beispiel der ehemalige Senatspräsident Hermsen, weil er nicht in die NSDAP eingetreten war, 1945 als Oberlandesgerichtspräsident eingesetzt. Keiner der Juristen des OLG Hamm und der Generalstaatsanwaltschaft wurde nach der Gründung der Bundesrepublik für sein Wirken voll zur Verantwortung gezogen.

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