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Ewald Funke (Jg. 1905): stellvertretender Leiter des AM-Apparats in Wuppertal, dann in Düsseldorf; hielt im Jüdischen Arbeiter-Kultur-Verein Vorträge; am 16.8.37 zum Tode verurteilt (vollstreckt am 4.3.1938) Ewald Funke (Jg. 1905): stellvertretender Leiter des AM-Apparats in Wuppertal, dann in Düsseldorf; hielt im Jüdischen Arbeiter-Kultur-Verein Vorträge; am 16.8.37 zum Tode verurteilt (vollstreckt am 4.3.1938)
 
JÜDISCHE KOMMUNISTEN IM AM-APPARAT DER KPD
 

Innerhalb der KPD in Wuppertal engagierte sich vor 1933 eine Reihe von jüdischen Aktivisten. Sie organisierten sich zunächst im Jüdischen Arbeiter-Kultur-Verein an der Klotzbahn. Dort traf sich der Teil der (ost)jüdischen Community, die Lohnschneider und kleinen Selbstständigen aus dem Umkreis des Textil-Zentrums in der Hofaue, die sich der organisierten Arbeiterbewegung zugehörig fühlten.

Innerhalb dieser relativ kleinen Gruppe gewann die KPD einige Mitglieder: Ewald Maus war der Fraktionsleiter der kommunistischen Gruppe, die aus Jakob Gilberg, Abraham Berkowitz und Izchock Gerszt bestand. Den Kontakt zur KPD stellte Ewald Funke her, der regelmäßig im Jüdischen Arbeiter-Kultur-Verein Vorträge hielt. Irgendwann im Jahre 1932 traten Gilberg und Gerszt in die Dienste des Geheimapparates der KPD ein. Ihr Kontaktmann wurde Funke.

Die jüdischen Kommunisten wurden dem Z-Apparat, dem Ressort Polizeizersetzung, zugeteilt. Die KPD versuchte unzufriedene Polizisten für kommunistische Zellen zu gewinnen. Da Zersetzungsarbeit bei der Polizei streng bestraft wurde, mussten das Verbreiten von Flugblättern und Zeitungen und auch die Kontaktaufnahme mit Polizisten streng konspirativ erfolgen. Die Gruppe entwickelte spezielle Zersetzungsschriften wie den „Roten Tschako“, verbreitete die Zeitungen durch nächtliche Verteilaktionen im Umfeld der Polizeikasernen oder durch gezieltes Verteilen an einzelne Polizisten. Funke knüpfte über seine Kontakte in die jüdische Community eine Reihe von interessanten Kontakten. Der jüdische Arzt Dr. Röttgen, der im Sozialistischen Ärztebund engagiert war und mit der KPD sympathisierte, horchte regelmäßig im Auftrag von Funke seinen Patienten, den Vizepolizeipräsident Lehnkering, über dienstliche Interna aus. So konnte die KPD relativ früh das Kräfteverhältnis im Polizeiapparat zwischen Sympathisanten der Nationalsozialisten und republiktreuen Polizisten einschätzen.

Wertvolle Informationen für eine gezielte Zersetzungsarbeit erhielt auch Gerszt, Angestellter der Firma Wollberge & Co., dessen Inhaber der Textilunternehmer Berkowitz war. Gerszt kam in Kontakt mit Polizeibeamten aus der Polizeikaserne Waldesruh, die sich bei Berkowitz neue Uniformen schneidern ließen.
Die Kundenkartei mit allen Namen der Polizisten wurde zum Grundstock für eine umfangreiche Zersetzungsaktion. Ganz gezielt verschickte der AM-Apparat Zeitungen an die vermeintlich unzufriedenen Beamten. Und man versuchte sogar, zwei linksradikal eingestellte Polizisten für den Apparat anzuwerben. Im Lokal Krokodil in Wuppertal-Elberfeld kam es zu einer Begegnung mit zwei Polizisten, die zwar nicht für organisierte Zellenarbeit gewonnen werden konnten, trotzdem Einzelheiten aus dem Inneren des Polizeiapparats beisteuerten.

Nach der Machtübertragung gab die Gruppe die Zersetzungsarbeit innerhalb der Polizei auf. Gerszt und Gilberg übernahmen die Finanzierung des AM-Apparats in Wuppertal. Ihnen gelang es, durch Geldsammlung bei antifaschistisch orientierten jüdischen Geschäftsleuten und Angestellten die laufende illegale Arbeit bis zu ihrer Verhaftung sicherzustellen.



Die herausragenden Akteure des AM-Apparats seien hier kurz vorgestellt:

Jacob Gilberg, am 12.6.1906 geboren, von Beruf selbstständiger Schneider, war bereits am 21. Juni 1933 verhaftet worden. In einem Prozess mit 68 Angeklagten wurde er am 7. Februar 1934 verurteilt. Er hatte als Anlaufstelle von illegalen Briefen gedient. Nach acht Monaten Untersuchungshaft eröffnete er wieder eine Herrenkleiderfabrik mit 40 Angestellten. Am 29.6.1936 wurde er erneut verhaftet und im Prozess Bruckner zu vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sein Geschäft übernahm daraufhin sein Angestellter, der kommunistische Freund Erich Berger. Als Jude wurde er nach Verbüßung der Haft in „Schutzhaft“ genommen und zuerst in das KZ Sachsenhausen und später in die KZ Mauthausen und Auschwitz deportiert. Gilberg überlebte Auschwitz und wandert zunächst nach Kanada aus.

Izchock Gerszt, geboren am 3.10.1901 in Brzeziny/Polen; war 1931-1933 als Reisender bei Firma Wollberge & Co. tätig. Er betrieb ab 1934 bis 1936 zusammen mit dem Schneider Leo Kirsch in Wuppertal-Elberfeld eine Lohnschneiderei. Er war 1932-1933 Mitglied der KPD und des Jüdischen Arbeiter- und Kulturvereins; wurde am 1.7.1936 verhaftet. Durch die Aussagen von Mitgefangenen, insbesondere von Funke, erfuhr die Gestapo von der Zersetzungsarbeit und von den geheimen Finanzierungen des AM-Apparats. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm quittierte diese Widerstandsleistungen mit hohen Strafen. Gerszt wurde am 6.3.1937 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Gerszt wurde zunächst im Zuchthaus festgehalten, dann in „Schutzhaft“ in das KZ Mauthausen und später nach Auschwitz überstellt. Dort starb er, so die amtliche Bescheinigung, am 13. Januar 1945, nur wenige Tage vor der Befreiung.
Auch seine Frau Rita Gerszt und die 1936 acht Monate alte Tochter Stephanie gerieten in die Mühlen der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Rita Gerszt wurde 1939 für vier Wochen verhaftet, kam dann wieder frei und floh mit ihrer Tochter nach Belgien. Nach der Besetzung Belgiens durch deutsche Truppen wurde sie erneut verhaftet und nach Deutschland gebracht. Ein Sondergericht in Düsseldorf verurteilte sie zunächst wegen Heimtücke und Devisenvergehen zu vier Monaten Gefängnis. Nach der Vollstreckung im Gefängnis wurde sie ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück transportiert. Dort verlor sich ihre Spur. Nach amtlichen Angaben kam sie 1942 im Lager ums Leben.
Das Kind überlebte das „Tausendjährige Reich“. Das „Comité de défense des juifs“ versteckte Stephanie unter falschem Namen in einem Waisenhaus im belgischen Forest. Der Fluchthilfeorganisation gelang es, Tausende von jüdischen Kindern dem Zugriff der Nationalsozialisten zu entziehen. Stephanie Gerszt wurde mit zahlreichen anderen jüdischen Kindern von den alliierten Armeen 1944 befreit. Erst 1948, nach drei langen Jahren in belgischen Waisenhäusern, konnte sie Belgien verlassen. Ein Onkel, der in den USA lebte, nahm sie auf.

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