1935 - 2005 | 70 JAHRE WUPPERTALER GEWERKSCHAFTSPROZESSE | VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT 1935 - 2005 | 70 JAHRE WUPPERTALER GEWERKSCHAFTSPROZESSE | VORBEREITUNG ZUM HOCHVERRAT # #
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Täterbiografien
 
Friedrich Senger
 

Friedrich Senger, 1886 in Bocholt geboren, kam 1912 ins Wuppertal, wo er bei der Barmer Berg- und Straßenbahn eine Stelle als Fahrer fand. Nach Ende des Ersten Weltkriegs, in dem er schwer verwundet wurde, schloss sich Senger der SPD und den Freien Gewerkschaften an. Senger erwarb sich bei seinen Kollegen hohes Ansehen, das zur Wahl in den Betriebsrat führte. Als freigestellter Betriebsratsvorsitzender engagierte sich Senger auch in der Kommunalpolitik. 1931 zog er als Nachrücker in den Wuppertaler Stadtrat ein. Im März 1933 konnte er sein Mandat als Neunter der SPD-Liste verteidigen. Inzwischen war die Macht im Reich an die NSDAP übergeben worden. Senger, der die Bedrohung durch die SA vor Augen, dem Reichsbanner beigetreten war, erhielt kurz darauf von seinem Arbeitgeber nach 20 Dienstjahren die Kündigung. Wie viele andere wirtschaftlich vor dem Ruin stehende Sozialdemokraten versuchte er sich als Vertreter über Wasser zu halten. Senger zog mit seinem tragbaren Einkaufsladen durch die Haushalte und bot zum Beispiel Seifenpulver an. Da fiel es nicht auf, wenn er auch Flugblätter dabeihatte, die er dann in den Familien seiner ehemaligen Kollegen verteilte.

Am 10. August 1933 verhaftet, verschleppte ihn die SA nach einer Nacht im Polizeigefängnis ins KZ Kemna. Einige Tage später folgte ihm sein Freund, Kollege und Genosse Adolf Mann. Außerdem lernte er im Lager Karl Ibach kennen, der sich ihm als Führer der Gruppe des Kommunistischen Jugendverbands in Unterbarmen vorstellte und mit dem er lange über die Lage der Arbeiterklasse sprach.

Die Wachmannschaft folterte Senger während eines nächtlichen Verhörs und schikanierte ihn während seiner gesamten Haftzeit. So musste er gemeinsam mit anderen Sozialdemokraten häufig die Aborte mit Wupperwasser reinigen – bis zu 100 Eimer Wasser waren dafür erforderlich.

Am 17. Oktober 1933 war Senger Teil eines Transports von Kemna-Häftlingen, die in das Moor-KZ Neusustrum verlegt wurden. In Neusustrum prügelte die SS-Wachmannschaft mit Drahtseilen auf die Neuankömmlinge ein und hetzte bissige Hunde auf sie. Bis zum 3. März 1934 musste Senger die Misshandlungen und die schwere Entwässerungsarbeit im Moor, verbunden mit einer völlig unzureichenden Ernährung, über sich ergehen lassen, bevor er aus dem Moor-KZ nach Wuppertal entlassen wurde. Die Kapelle des längst verbotenen Barmer Reichsbanners empfing ihn unter neuem Namen mit einem Ständchen.

Ende 1934 nahm Ibach Kontakt zu Mann und Senger auf. Das durch die gemeinsame Haft in der Kemna entstandene Vertrauensverhältnis war die Grundlage für die folgende Zusammenarbeit der beiden Sozialdemokraten mit dem Kommunisten. Als Vertrauensleute für die Barmer Berg- und Straßenbahn sprachen sie mit ehemaligen Arbeitskollegen und gaben die erhaltenen Informationen an Ibach weiter, der sie an die KP-Auslandsleitung weiterreichte. Senger, der von Ibach mehrmals Druckschriften der KPD erhalten hatte, wird sich darüber im Klaren gewesen sein, dass er mit der illegalen KPD zusammenarbeitete. Nicht jedoch darüber, dass Ibach Mitglied des AM-Apparats war und als solches von Otto Kettig ausdrücklich beauftragt worden war, Sozialdemokraten anzuwerben.

Am 30. Juli 1936 verhaftete die Gestapo Senger und folterte ihn im Keller des Polizeigefängnisses in der von-der-Heydts-Gasse vier Nächte hintereinander. Senger war offenbar so verzweifelt, dass er sich am Morgen seines 50. Geburtstags, dem 3. August 1936, das Leben nahm. Seiner ebenfalls inhaftierten Frau Sophie eröffnete der Gestapo-Beamte Eugen Pedrotti am gleichen Morgen, ihr Mann habe sich „entleibt“. Dabei sah sie auf dem Schreibtisch Pedrottis ein Vernehmungsprotokoll, das von ihrem Mann unterschrieben war. Sophie Senger fiel besonders die untypisch große und zittrige Unterschrift auf, und ihr wurde klar, dass die Gestapo ihren Mann in den Tod getrieben hatte.

Seit seinem 100. Geburtstag 1986 erinnert die Stadt Wuppertal mit dem Friedrich-Senger-Platz an der Schützenstraße an den überzeugten Nazi-Gegner.

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